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Kommentar25. Mai 2015

Unterwerfung – zur Situation der Hebammen

Da reden wir von Freiheit. Aber im echten Leben kreisen die Zwänge uns ein. Sie nehmen uns die persönlichsten Entscheidungen ab, sie legen uns fest. Von wegen Freiheit!

Schauen wir uns die derzeitige Situation in der Geburtshilfe an. Wo gebären, wie gebären, mit welchen Menschen gebären, wem sich anvertrauen – Fragen ganz in der Mitte eines Menschenlebens. Und doch – sind die Antworten immer öfter vorgegeben.

Ich habe selbst lange geglaubt, das Problem der Hebammen läge einfach in ihrer miserablen Bezahlung, ihrem immer »dichteren« Schichtdienst, und so weiter.

Aber das stimmt nicht. Das Problem liegt tiefer, es ist ein Problem mitten im medizinischen Betriebssystem:

Erstens. Nehmen wir einmal die in der Klinik tätigen Hebammen. Sie werden von den Müttern geschätzt, sie werden von den Familien geschätzt (und von den Babys, die von ihren Händen ins Leben begleitet werden, bestimmt auch). Aber in einer zunehmend auf ökonomische Prioritäten ausgerichteten Versorgungskette haben gerade die Hebammen keine Lobby. Natürlich, ihre Tätigkeit ist für den Geburtsverlauf zentral – aber sie verleiht ihnen kein Gewicht im ökonomischen Sinn. Fehlt ein Arzt, so fällt eine Operation aus oder der Patient bekommt seine Medikamente nicht – ein offensichtlicher Skandal. Und natürlich ein offensichtliches Problem für den Krankenhausträger – und für die Krankenkassen. Eine Geburt aber findet noch immer irgendwie ihr Ende. Gestresste, ermüdete oder zur bloßen Hilfskraft »umorganisierte« Hebammen hin oder her. WIE in der Klinik eine Geburt zu Ende geht, und welche Qualität sie für die gebärende Frau hat, ist für das System (bisher) nicht entscheidend. Keine Mutter hat sich je mit ihrer Enttäuschung oder zerbrochenen Träumen an die Krankenkasse gewandt. Bei den Forderungen der Hebammen können sich deshalb alle zurücklehnen. Das Versorgungssystem läuft ja doch weiter wie gehabt. Die echten Kosten werden an andere weitergereicht.

Und genau das ist das zweite Problem. Denn natürlich fallen »Kosten« an, wenn sich die Geburtshilfe ökonomischen Zwängen unterordnet. Natürlich entstehen Nachteile, wenn Hebammenleistungen abgebaut oder Hebammen zu bloßen Rädchen eines möglichst effektiven medizinischen Betriebs reduziert werden. Aber sie treffen eine Gruppe, die sich ebenfalls schlecht wehren kann: die gebärenden Frauen. Wo ist deren Lobby? Wie sollen sie denn mit ihrem Bauch abstimmen? Sie müssen das Angebot zunächst einmal nehmen wie es ist – und wenn sie dabei das eigene Ideal knicken müssen: Geburtshilfliche Abteilungen werden geschlossen, und dort, wo sie erhalten bleiben, muss es mehr oder weniger nach Plan und Takt laufen (ich habe das in meinem Buch Menschenkinder thematisiert, hier ein Auszug). Und das bedeutet nicht selten eben auch: unerwünschte Geburtsverläufe, Stress, Verunsicherung – und ja, enttäuschte Mütter. Wer mit einer Insiderin einen Blick in diese an ökonomischen Zwängen ausgerichtete Welt werfen will, kann es hier tun.

Und das bringt mich zum dritten Punkt, und er ist mir der Wichtigste. Er betrifft unser Recht auf Selbstbestimmung. Denn wer jetzt meint, die beschriebene Problematik spräche eigentlich für die Stärkung eines außerklinischen, von Hebammen gestalteten geburtshilflichen Sektors – wird ebenfalls enttäuscht. Wer meint, gebärende Frauen sollten auch außerhalb des Klinikbetriebs die Wahl haben, wo, mit wem und unter welchen Umständen sie ihr Kind gebären wollen – wird ebenfalls zurückgepfiffen.

Und zwar ausgerechnet von den Krankenkassen, mit vorgeblich »wissenschaftlichen« Argumenten. Hier also die Meldung: Ausserklinische Geburten – also Geburten in Geburtshäusern, Hebammenpraxen oder zuhause – sollen nach der Vorstellung des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenkassen in Zukunft nur noch dann Kassenleistung sein, wenn sie nicht mehr als einen Tag nach dem errechneten Geburtstermin stattfinden.

Nur, was ist wissenschaftlich zur Frage des Geburtstermins denn bekannt?

Ganz gewiss nichts, wodurch sich eine solche Terminierung begründen liesse. Dass die Schwangerschaftsdauer extrem variabel ist, ist seit Jahrzehnten gesichertes Wissen (es muss ja einen Grund geben, weshalb nur 3-4 Prozent der Neugeborenen an »ihrem Termin« geboren werden – der den Müttern dann dennoch gleich mal als Plansoll in den Kalender eingetragen wird…). Und neuere, auf detaillierten Hormonuntersuchungen basierende Daten zeigen auch, dass es sich beim errechneten Termin in Wirklichkeit eher um eine Art Orakel handelt, und dass die normale Schwangerschaftsdauer viel deutlicher von individuellen Faktoren abhängt als bisher vermutet (hier eine Zusammenfassung aus dem Deutschen Ärzteblatt und hier eine recht gute Übersicht für Laien).

Wie dreist also, einem großen Teil der gebärenden Frauen ausgerechnet mit diesem Argument die Wahl des eigenen Geburtsorts streitig zu machen! Für mich ist das ein Missbrauch von Wissenschaft im Namen einer Agenda. Und damit steht die Frage im Raum, von welchen Interessen dieser Vorstoß eigentlich geleitet ist. Ich halte diese Frage für umso dringender, weil die Krankenkassen in der klinischen Geburtshilfe wissenschaftliche Standards eben NICHT einfordern. Da darf jede Klinik im Grunde machen was sie will, wie sie es will, welche Ergebnisse dabei auch immer herauskommen. Von wegen verbindliche Leitlinien oder verbindliche Qualitätssicherung! Wurde je darüber diskutiert, den Kliniken die Kassenleistungen zu streichen, wenn sie es zum Beispiel nicht schaffen, dass wenigstens 60% der Kinder auf vaginalem Weg zur Welt kommen?

Die Situation der Familien ist damit derzeit die: die Wahlmöglichkeiten rund um die Geburt werden seit Jahren kleiner. Und jetzt soll auch noch das Angebot an außerklinischen Geburtsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Dieses Angebot wurde mit viel Engagement aufgebaut, und es hat bisher hervorragende Arbeit geleistet (das attestieren selbst die Krankenkassen). Nur: diesem System fehlen inzwischen die Hebammen – weil sie nach Abzug der Haftpflichtprämien nicht mehr davon leben können. Und diesem System fehlen bald auch die Gebärenden – weil sie es nur dann als Kassenleistung nutzen können, wenn das Geburtstermin-Orakel es will.

Damit ist absehbar, in welche Richtung der Zug fährt. Die Geburt wird zu einem one-size-fits-all-Angebot. Es wird immer mehr zu einem Monopol von Krankenhäusern, die ihre eigenen Probleme inzwischen vielfach selbst erkennen: Personalmangel, Kostenexplosion, Übertherapie, unerwünschte Nebenwirkungen. Ja, wir sollten uns da nichts vormachen: der Geschäftszweck von Kliniken ist die Versorgung schwer kranker Menschen. Dass ein solches interventionslastiges Umfeld seine eigenen Probleme und Risiken hat, ist verständlich und erwartbar. Nur – diese Risiken werden kaum thematisiert. Wer beschäftigt sich denn mit der Frage, wie es zu der extremen Varianz in der geburtshilflichen Praxis kommt? Warum eine Gebärende in der einen Klinik ein über DREIFACH erhöhtes Risiko hat per Kaiserschnitt entbunden zu werden als in einer anderen Klinik? Wer beschäftigt sich mit der Frage, warum normale Geburtsverläufe, also Geburten ohne Einleitung, Wehentropf, Dammschnitt oder Kaiserschnitt inzwischen ein Fall fürs Museum geworden sind? Warum aus der Geburtshilfe im Grunde eine Geburtstherapie geworden ist? Wer beschäftigt sich denn mit der Frage, ob einer Geburtshilfe nicht allmählich die Fertigkeiten abhanden kommen, wenn der medizinische Nachwuchs in den Kliniken vor allem das lernt: schwierigere Geburten auf dem OP-Tisch zu beenden? Wer beschäftigt sich mit der Frage, was das kaum mehr zu kontrollierende Problem der multiresistenten Keime in den Kliniken für die Geburtshilfe bedeutet? Dabei ist es eine Frage der Zeit, bis gerade dieses Problem auch die Geburtshilfe mit ihren ganz normalen, gesunden Neugeborenen und ihren ganz normalen, gesunden Müttern einholt. Durchaus denkbar, dass DANN auf einmal die Frage im Raum steht, wer eigentlich auf die Idee kam, dem außerklinischen Geburtssystem das Licht auszudrehen.

Für mich ist das eine beklemmende Situation. Nicht weil ich gegen Klinikgeburten wäre, im Gegenteil – ich halte eine leistungsstarke klinische Geburtshilfe für ein MUSS, sie ist ein Segen. Es muss in bestimmten Fällen tatsächlich eine Geburtstherapie geben! Und dass Kliniken auch für normale Geburte gute Orte für Geburten sein können, stellen sie tagtäglich unter Beweis, und das entspricht auch meiner eigenen Erfahrung, sowohl als Kinderarzt als auch als »mitgebärender« Vater. Es geht mir nicht um den »richtigen« Ort, den muss jede Frau selber finden.

Mir geht es um dieses Selber-finden. Mir geht es darum, dass jede Frau den Ort zur Geburt ihres Kindes aufsuchen kann und darf, der ihr als der richtige, passende, sichere erscheint. Mir geht es darum, dass wir diese persönlichen Belange selber regeln und entscheiden können. Das ist für mich Lebensqualität, Selbstbestimmung, gelebte Freiheit.

Und deshalb wende ich mich gegen diese dreiste Initiative der Krankenkassen (oder irgendwelcher gut vernetzter Einflüsterer, die dahinter stehen mögen). Wo leben wir eigentlich? In einer medizinischen Diktatur? Die jetzt auch noch die Unterwerfung unter die Gesetze der Krankenkassen verlangt? Die uns jetzt noch den Ort vorschreibt, an dem wir zu gebären haben? Ein oberster Sowjet der Krankenkassen? Für eine solche Diktatur habe ich jedenfalls nicht gestimmt.

Deshalb, weil wir doch immer wieder unserer menschlichen Tendenz nachgeben sollten, in unseren persönlichsten Dingen ernst genommen und respektiert zu werden, ein paar Vorschläge – unsystematisch, ungeordnet, ungefiltert, denn ich weiß selbst nicht ein und aus.

… diese Petition wartet auf Unterschriften: Übernahme der Kosten für Hebammen unabhängig vom Geburtsort und Geburtstermin sichern! Sinnvoll, auch wenn man sich fragen muss, was da eigentlich läuft, wenn man für ein eigentliches RECHT eine Petition starten muss.

dieser Verein (Mother Hood) und dieser Verein (Hebammen für Deutschland) warten auf Mitglieder, Unterstützer, Weitersager. Dass da hier und da vielleicht manches etwas polemisch formuliert wird, kann ich inzwischen verstehen 😉

… PolitikerInnen und auch KrankenkassenvertreterInnen sind Menschen, die man überzeugen, ansprechen, anrufen, anmailen, ja, um Hilfe bitten kann. Eine Liste hier.

… und wir selbst – was ist denn unser Wunschbild von der Geburt? Auch das halte ich für einen Beitrag, und er passt zu den anderen Themen des Lebens: Wer sich mit dem zufrieden gibt, »was eben so üblich ist«, bekommt die Art der Geburtshilfe, die »eben so üblich ist«. Reden wir darüber, setzen wir uns für unser Menschenbild ein!

 

Und weil das jetzt doch ein bisschen lang und »hitzig« geworden ist, noch etwas Persönliches hinterher. Was mich leitet, hier in meinem Blog ein Wort zur »Hebammenfrage« einzuwerfen, ist auch eine eigene Geschichte: unser jüngstes Kind wurde in den USA geboren. Das war vor 17 Jahren. Schon damals war dort, wo so viel von den »personal choices« geredet wird, die außerklinische Geburt ein Auslaufmodell: die Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht – das schließt schon einmal das Gros der Eltern aus. Und staatlich examinierten Hebammen ist die Hausgeburtshilfe gleich ganz versperrt – sie würden ihre Lizenz und ihren Versicherungsschutz verlieren. Von wegen »personal choices«!

Ja, vielleicht hat der Spitzenverband der deutschen Krankenkassen sich ja tatsächlich in den USA schlau gemacht. Für mich jedenfalls ein beklemmendes Deja-vu: jetzt akzeptieren wir also auch hierzulande die Diktatur einer Gesundheitsbürokratie. Wir mögen uns als Gestalter unseres Lebens sehen – die Wirklichkeit aber geht hin zum einheitlichen, vielleicht bald schon globalisierten Volksmodell.

Ja, reden wir weiter von Selbstbestimmung, reden wir weiter von Emanzipation, von Optionen, Alternativen, Wahlmöglichkeiten – um uns herum aber schließt sich die Einheitsfront. Da geht es nicht um Selbstbestimmung nach menschlichem Maß, da geht es um die Unterwerfung unter ein System, das sich längst an anderen Interessen orientiert.

22 Kommentare

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  • Monika Findeis

    Danke! Vielen Dank für diese Zusammenfassung. Das sind mal andere Worte und Argumente. Die vielleicht auch diejenigen erreichen, die bisher dachten, das Hebammenproblem sei “nur” ein Hebammen-Problem.

  • Sigrid

    Danke! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

  • Sabine

    Vielen Dank für diesen Artikel!

  • Ruth Pinno

    Für diese wunderbare Zusammenfassung der Situation: Danke!

    MfG
    Ruth Pinno
    1. Vorsitzende des Bundes freiberuflicher Hebammen Deutschlands – BfHD eV.

  • Diana Pascucci

    Vielen Dank, Herr Renz-Polster, für diesen ansprechenden, fachlich fundierten Text! Ich hoffe, er erreicht auch etliche Menschen, die bislang nicht sehen wollten, dass das “Hebammenproblem” vor allem ein Eltern- und Babyproblem ist. Und dass es sie – und später ihre Kinder, wenn die Eltern werden – betreffen wird, wenn nicht endlich etwas geschieht.

  • Valeria

    Vielen Dank für diesen guten Artikel!
    Eine kritische Betrachtung des Problems und der Ursache! Wichtig, dass möglichst viele dies verstehen und sich zur Wehr setzen.

  • Charlett Wild-Hiepp

    Herzlichen DAnk,
    vielleicht ändert sich ja mal was….. Eine Hausgeburtshebamme

  • Melanie Rosellen

    Sehr gut und nachvollziehbar, hoffentlich auch für diejenigen die das Ganze bisher für ein Luxusproblem hielten.
    Eine Ergänzung hätte ich noch: es geht nicht nur um die Betreuung unter der Geburt sondern auch um die Vor- und Nachsorge! Vorbereitungskurse, Kontrollbesuche (Stichwort Familienhebamme) und Hilfe bei Stillproblemen etc. für die weder Kinderarzt noch Gynäkologe zuständig sind.

  • Anja Brucksch

    Tausend Dank für diesen guten, verständlichen Artikel Herr Renz-Polster!

  • Cornelia Rothenburg

    Sie schreiben oben über vom Geburtserlebnis “enttäuschte” Frauen. Wie verharmlosend niedlich! Ich habe mehrere Geburten mit unterschiedlich guter Betreuung am eigenen Leib und auch im Freundeskreis erlebt. Fehlte die aufmerksame Hebamme, traten unweigerlich bei allen Frauen nachträglich Komplikationen im Heilungsprozess auf. Entzündungen am Dammschnitt führten noch Tage nach der Geburt zum Krankheit, Erschöpfung bei der Mutter, weniger Milchproduktion und damit gefährlicher (!!!) Unterversorgung des Säuglings und schlechterer Versorgung der ganzen Familie.
    Wenns ganz dick kommt, bleiben bei der Mutter körperliche Schäden und Depression, die über Jahre hinweg das Familienleben prägen – dabei wäre alles vermeidbar mit Begleitung durch eine Hebamme!

    Die Krankenkassen sollten diese Folgekosten mal gegenrechnen!!!

  • Pat M.

    Warum change.org und nicht direkt als ePetition an den dt. Bundestag?

    • Herbert Renz-Polster

      Mother Hood erklärt das so: Die Petition richtet sich an den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen. Eine ePetition an den deutschen Bundestag kann nur eingereicht werden, wenn auch der Adressat der deutsche Bundestag ist…

  • Uli Wieland

    Einfach nur: Perfekt, dieser Artikel!
    Vielen Dank für die Sachlichkeit, die trotzdem Emotionales nicht vermissen lässt und für die super Zusammenfassung der wichtigsten Gründe.
    Habe den Link zur PM zur Bestimmung des Geburtstermins gleich mal an unsere Gyn-Oberärzte in einem Krankenhaus mit 1600 Geburten/Jahr weitergeleitet. Trotz recht niedriger Kaiserschnittrate (ca. 24%) werden auch bei uns doch recht viele Geburten eingeleitet.
    Übrigens gibt es schon bei der Terminbestimmung per Ultraschall einen nicht zu unterschätztenden Fehler der meines Wissens von niemandem in Betracht gezogen wird: sowohl bei der Messung (Eintragung der drei zugrunde liegenden Abstände BIP-AU-FL, hier tritt ein subjektiver sowie ein gerätebedingter systematischer Fehler auf) als auch bei der softwaregestützten Berechnung daraus (systematischer Fehler infolge des zugrundeliegenden Berechnungsmodells, das ja auch nur auf statistischen Untersuchungen beruht) treten Fehler auf, die eine enorme Varianz der errechneten Schwangerschaftswoche zur Folge haben. Um es einfach zu sagen: der berechnete Termin, den ein Ultraschallgerät ausspuckt, dürfte allein schon aufgrund der o.g. Geräte- und Berechnungsfehler bei +/- 14 Tage liegen.
    Wenn man bedenkt, dass daraufhin schwerwiegende therapeutische Entscheidungen wie die Einleitung der Geburt getroffen werden, ist das im Grunde ein Skandal. Wenn nun daraufhin auch noch die Entscheidung zur Kostenübernahme auf diesen nicht wirklich belastbaren Daten beruhen soll, frage ich mich, wer die Verantwortung dafür übernehmen will.
    Ulrich Wieland
    Dipl.-Ing. für Biomedizintechnik

  • Elke Schwarz

    Lieber Herr Renz-Polster, ganz herzlichen Dank für diese sehr gute und vor allem treffende Zusamenfassung der aktuellen Situation und der zu befürchtenden.
    Ich bitte alle Menschen, die sich hier engagieren wollen, die Bürgersprechstunden ihrer Bundestagsabgeordneten dafür zu nutzen und das Gespräch zu suchen. Ich habe das auch getan. Nur wenn der oder die Abgeordnete, der/die für Euch im Bundestag sitzt, erkennt, wo die Problematik ist UND wenn er/sie merkt, dass es der Bevölkerung ein Anliegen ist, dass es hier zu einer guten Lösung kommt (nämlich die Wahlfreiheit zu erhalten, was eben bedeutet, dass die Hebammen gestärkt werden müssen), können wir etwas bewegen. Ich fürchte, dass online-petitionen (ich habe auch gezeichnet) nicht den schlagenden Effekt haben werden.
    Ich überlege auch, zu meiner Krankenkasse zu gehen. Auch da glaube ich, dass Schreiben nicht wirklich etwas bewegt, das habe ich schon vor Jahren gemacht, und lediglich einen im Grunde nichts sagenden Norm-Brief zurückbekommen.
    Herr Wieland, Ihre Information von Ihnen als Biomedizintechniker finde ich sehr wichtig. Ich hoffe, Sie können dies ebenso an Kassen und Politik weitergeben. Danke.

  • Jeanette

    ich selbst hatte einen unerwünschten Kaiserschnitt bei der Geburt meines Sohnes, der durch die anwesenheit einer fitten Hebamme vermutlich vermeidbar gewesen wäre… eigentlich wünsche ich mir ein weiteres Kind…. bin aber was Krankenhaus und Hebammensituation angeht inzwischen sehr verunsichert…. Die Hebamme ist vor während und nach der Geburt die zentrale Person im ganzen Prozeß. Mit ihr steht und fällt in vielen Fällen eine befriedigende und glückliche Zeit der Schwangerschaft/Geburt/Wochenbett oder eine traumatische Erfahrung.
    Es ist für mich unglaublich, dass eine Gesellschaft/die Politik /das Gesundheitssystem rund um das Thema Kind und Kinder kriegen so dreist und ignorant sein kann.
    Ich wünsche mir einen regelrechten Aufstand gegen diese Zustände in einem der wohlhabensten Länder der Erde….!!!

  • Noreen Naranjos Velazquez

    Ist es aber nicht verwunderlich, dass der Staat auf einer Seite den freiberuflichen Hebammen das “Licht ausdreht”, wie Sie so passend schreiben und auf der anderen Seite Luftschlösser namens Frühe Hilfen oder andere Beratungsprojekte baut, die in Wirklichkeit auch nur funktionieren, weil es noch die freiberuflichen Hebammen gibt? Dies scheint mir ein Spiel mit dem Feuer, welches dem sinkenden Hebammenschiff erste Funken rüberschmeißt.

  • Sabine Strauch

    Ich habe drei Kinder und alle sind zuhause geboren (1996, 1998, 2008). Selbst bei dem Jüngsten, mit 11 Tagen über dem errechneten Geburtstermin, ist alles prima verlaufen. Ein anderer Ort als zuhause kam für mich nicht in Frage. Unfassbar, dass einem eine so wichtige, elementare Entscheidung abgenommen werden soll …

  • Jochen

    Hallo Herr Renz-Polster,
    ein “heißes Eisen” haben Sie sachlich und fundiert thematisch sehr gut erfasst. Bleibt abzuwarten wie die zukünftige Entwicklung sein wird. Eventuell ändert sich ja mal was an der Ignoranz…

    VG
    J

  • Iris Appel

    Vielen Dank, Herr Renz-Polster, für diesen fachlich fundierten und gleichzeitig emotionalen Beitrag!
    Durch den Schiedsspruch am Freitag (25.9.) ist die Situation noch schwieriger geworden, insbesondere für Frauen, die eine Hausgeburt möchten. Meine drei Kinder haben sich alle nicht an den “ET” gehalten und sind mehr als 10 Tage später geboren, eins nach Einleitung im Krankenhaus (mit allem Drum und Dran), eins im Geburtshaus, eins zu Hause.
    In den USA ist es inzwischen so, dass es stellenweise eine “Rückbesinnung” auf die außerklinische Geburtshilfe gibt, z.B. hier in Kalifornien:
    http://www.bizjournals.com/sacramento/news/2015/09/25/new-law-expanding-midwife-services-could-save.html?ana=fbk
    d.h. in Kalifornien haben dann alle Frauen, die über die “öffentliche” Krankenkasse versichert sind, Zugang zu außerklinischer Geburtshilfe im “Birth Center” oder zu Hause (bei normal verlaufender Schwangerschaft). Das hat für amerikanische Verhältnisse schon was Bahnbrechendes!
    Ich denke, dass auch in Deutschland früher oder später (wieder) ein (stärkeres) Umdenken stattfinden wird, so wie es in Großbritannien bereits der Fall ist.
    Die Frage ist nur, wie viele Geburten bis dahin durchökonomisiert, an den Bedürfnissen der Frauen und Kinder vorbei, vielleicht sogar mit Schäden an Körper und Seele der Frauen und Babys, geschehen müssen. Ich hatte gehofft, wir können diesen Schritt in der Entwicklung der Geburtshilfe auslassen. Es scheint, dass dem nicht so ist.

    Off topic: was ich Ihnen schon immer mal sagen wollte: Danke für das tolle Basislehrbuch Innere!

  • J.K.

    Hallo, ein toller Artikel der einen unruhig werden lässt. Es ist sehr schade und absolut unlogisch das es sich in diese Richtung entwickelt. Ich bin vor sechs Jahren der Liebe wegen in die Schweiz ausgewandert und ich habe das Glück im schönsten Kanton gelandet zu sein, Graubünden 🙂 Vor drei Jahren kam meine erste Tochter zur Welt und ich muss zugeben, beim ersten Kind macht man das eben so wie man es von der Mama auch kennt, alle Untersuchungen machen die es gibt (obwohl das meiste bei einer jungen, gesunden Frau und einem guten Arzt komplett übertrieben ist und trotzdem von der Kasse bezahlt wird) am Tag der Geburt fährt man ins Spital, verkrampft sich total, weil man ja eh weiss das es unheimlich weh tun wird, im Spital kommen drei verschiedene Assistenzärzte die irgendwas untersuchen und gleich mal ein Schmerzmittel empfehlen, dann durchlaufe ich drei Hebammen in 11 Stunden (was voll okay war, alle sehr nett) PDA und die Geburt eines Sternguckers. War sehr schmerzhaft trotz PDA. Ich war Psychisch recht angeschlagen, traurig über den Verlauf und unzufrieden. Mein Baby hatte Hautprobleme und heute bin ich überzeugt das es vom Geburtsstress kam. Ärzte nennen es Neurodermitis, ich habe auf die Pflegehinweise der Hebamme gehört und nach einem Jahr war alles weg, der Arzt hätte Kortison empfohlen. Ich wollte unbedingt Stillen, da es das praktischste ist was ich mir vorstellen kann, im Kantonsspital gaben sie meinem Baby einfach Zuckerwasser aus dem Fläschchen dazu damit es Nachts besser schlief und sofort wird der Schnuller in den Mund gesteckt, ich dachte das macht man halt so, doch es ist fürs Stillen absolut FALSCH, verwirrt das Neugeborene nur und verunsichert die Mutter. Ich finde es schade das die Schwestern es nicht besser wussten. Mit meiner Beharrlichkeit klappte das Stillen dann aber doch wunderbar. Aber so kann das doch nicht sein, eine Geburt sollte ein schönes Erlebnis sein und auf die Wünsche der Eltern sollten unterstützt werden. Mein Glück, in der Schweiz kann man 5Tage im Spital bleiben, bekommt Stillberatung und eine kleine Rückbildungsübung, dann kommt noch eine Hebamme nach Wahl und die Mütterberatung nach Hause. Die Betreuung nach der Geburt finde ich klasse! In meiner zweiten Schwangerschaft habe ich mich selbst wahnsinnig gut informiert über das was da alles passiert und was man als Mutter selbst machen kann damit die Geburt angenehm und gesund verläuft. Ich machte so oft es ging bewusste Entspannungsübungen (etwa wie beim Hypnobirth, so wie es für mich gut war) Ging zur Akupunktur, trank viel Tee (Frischen, keine Beutel) Lass viel über den Vorgang im Körper bei der Geburt. Und siehe da, eigentlich macht man alles falsch wenn man keine Ahnung hat. Oder wer würde sich bei einem Muskelkrampf noch mehr verkrampfen und davon ausgehen das es besser wird? Ich meldete mich in einem kleineren Spital an in dem die Gebärabteilung Hebammengeleitet ist und ein Gynäkologe, Anästhesist und Kinderarzt nur dann einspringen wenn unbedingt medizinisch erforderlich. Ich habe mich vor der Geburt mit den Hebammen getroffen und über meine Wünsche geredet, damit sie wissen wie ich eingestellt bin. Sie nahmen mir die Angst vor der zweiten Geburt und ich habe ihnen 100% mein ganzes Vertrauen geschenkt, aber vorallem auch mir, meinem Körper und meinem Kind. Auch der Arzt war klasse, er stellte sich kurz vor und sagte das die Hebammen mit mir zusammen das schon hinkriegen und er wäre ums Eck falls ich ihn bräuchte. Mit Hilfe der Hebammen und meiner Eigeninitiative in den ganzen 9 Monaten hatte ich ein wunderschönes Geburtserlebnis in dem ich die Schmerzen nur Zeitweise als solche wahrnahm. Ich ging auf anraten der Hebamme in die warme Wanne und ich schlief zwischen den Presswehen sogar ein. Es war für alle eine wunderschöne Geburt, ich nahm mein zweites Mädchen selbst in Empfang, die Hebamme führte meine Hände zu meinem Kind und ich war die erste die sie aufnahm, dann mein Mann und danach erst die Hebamme. Auch mit dem Stillen lief alles viel besser, die Hebammen in dem Spital wussten mehr über erfolgreiches Stillen als die Schwestern im Kantonsspital und ich wurde voll unterstützt. Ich fände es eine Schande wenn es irgendwann keine Hebamme mehr gäbe und ich würde es nicht verstehen. Mütter und Kinder sind besser versorgt und folglich entspannter und gesünder. Sie sind die Profis in der Geburtshilfe, in vielen Dingen besser als jeder Schulmediziner. Eine gute Hebamme erkennt auch zuversichtlich wenn wirklich ein Arzt gebraucht wird und das ist in den wenigsten Fällen notwendig. Die Welt BRAUCHT Hebammen!!!!! Sie sorgen für die Entlastung der Ärzte, Schwestern und Pfleger und sind für gesunde Geburten Notwenig. Wenn die Kassen eine Nackenfaltenmessung (die viele Mütter unheimlich verunsichern) und einen 3 Stündigen Zuckertest (bei dem manchen übel wird) bezahlen und sich dabei noch gut fühlen, weiss ich nicht warum sie bei Hebammen einsparen wollen. Das Gesundheitssystem sollte sich für die Patienten einsetzen, und wenn sie ihre versicherten Frauen fragen würden, wäre klar das Hebammen gebraucht und gewollt werden. Wenn man viele unsinnige Tests bei gesunden Frauen weg lassen würde, läge das auch drin. Von meiner Frauenärztin weiss ich das sie dazu angehalten werden die Tests zu empfehlen egal was sie selbst davon halten oder ob es notwendig ist oder nicht. Wenn man als Mutter sich nicht selbst informiert ist man arm dran.

    • J.K.

      Entschuldigt meine Rechtschreibfehler, mit meinen zwei kleinen hier neben mir ist es etwas schwierig. 🙂

  • Carsten

    Super Beitrag und bringt die Probleme auf den Punkt.

    Ich halte überhauptnichts von den zig Voruntersuchung, wenn die Geburtsentwicklung unproblematisch verläuft, was ja immer noch der Normalfall ist. Da profitieren nur einige und kassieren ab. Das ganze Krankenkassensystem ist dermaßen verschroben und so offensichtlich eine Vereppelung, dass es schlimmer nicht mehr geht. Wer genau hinschaut und die Kosten zusammenrechnet, die jeder monaltlich an die Krankenkassen abzweigen muss, muss sich fragen, in welche sinnlosen Quellen das viele Geld versickert. Es gibt ja kaum ein Arztbesuch, bei denen man keine Zuzahlungen leisten muss, wenn man von der Norm abweichen möchte, die uns schön brav von Lobbyisten und der Krankenkassen diktiert wird.
    Wir leben schon lange nicht mehr in jener Freiheit, in der wir entscheiden können, wie wir unser Leben gestalten möchten. Das trifft auch auf die Geburten zu.

    Wir hatten am Jahresende noch das Glück, eine “Museumsgeburt” erleben zu dürfen. Im Vergleich zur ersten Geburt war es einfach wie ein Märchen. Die Hebamme hat die Geburt einfach ihren natürlichen Verlauf begleitet, ohne unnötig in den Vorgang reinzupfuschen. Leider gehört diese Einrichtung auch bald der Verganheit an, was für mich überhaupt nicht nachvollziehbar ist. Die Krankenhäuser können bei der Qualität nicht mithalten, wenn eine Frau einfach ihr Kind auf natürliche Art und Weise auf die Welt bringen möchte. Die Oberärtze staunen ja Bauklötze, wenn eine Frau es wagt, ihr Kind einfach auf natürlchlichem Wege bekommen zu wollen. Leider trängen einen die Ärzte dann dieses und jenes zu machen, sonst kann jenes schlimme Problem eintreten. Da wird dann einem erzählt das in zwei Fällen von 100 dieses oder jenes passiert. Klar gibt es besser oder schlechtere Krankenhaus. Wir haben vermutlich auch eines der schlechteren erwischt.

    Wir haben beide Seiten mitbekommen. Eimal eine stressige Geburt im Krankenhaus, in dem wir die meißte Zeit uns selbst überlassen wurden (drei Geburten gleichzeitig mit zeitweise einer überlasteten Hebamme) und eine Geburt in einer Einrichtung von Hebammen. Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht gewesen! Und leider sind im Krankenhaus Hebammen bestimmten Zwängen unterworfen, in denen sie genauso wenig frei entscheiden können, wie Frauen und deren Familien.

    Genauso unbegreiflich ist es für mich, dass auch eine merkbare Gleichgültigkeit in der Bevölkerung entwichkelt hat und die wenigen Lobbyisten treiben können, was sie wollen. Viele erkennen zwar, das es hier nicht mit rechten Dingen zu geht, sind aber aber der Meinung, man könnte nichts machen. Wenn es genug gibt, die nicht mehr in diesem Spiel mitmachen wollen, dann bekommen auch die wenigen Lobbyisten spürbaren Gegenwind und würde es auch für diejenigen ungemütlich werden. Es bedarf halt etwas Mut, die Dinge auszusprechen, die verkehrt laufen. Eigentlich müssen alle, die sich in Zukunft nicht ihre persönliche Freiheit weiter beschneiden lassen wollen, auf die Straße gehen und gegen diese Machenschaften vorgehen und ihen Unmut kundtun.

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