FAQ

In der Familie müsste doch eigentlich Harmonie herrschen − stimmt das aus evolutionärer Sicht?

Nicht so richtig. Evolutionär betrachtet haben selbst Lebewesen die sehr eng verwandt sind, teilweise unterschiedliche Interessen. Das ergibt sich schon daraus, dass ein Lebewesen mit sich selbst sozusagen zu 100% verwandt ist, mit seinen Geschwistern oder auch seiner Mutter oder seinem Vater nur zu 50%. Dadurch kommen sehr unterschiedliche Perspektiven ins Spiel, die der bekannte Psychologe Steven Pinker so beschreibt: »Nehmen wir zwei Kinder und einen Kuchen. Jedes Kind sollte den Kuchen so aufteilen wollen, dass es selbst zwei Drittel, das Geschwister aber ein Drittel bekommt.« Würden die Eltern den Kuchen aufteilen, so würde dagegen jedes Kind die Hälfte bekommen.

Aber die unterschiedlichen Interessen lassen sich keinesfalls nur an den Genen festmachen. Das Bild des Kuchens ist nämlich auch in anderer Hinsicht hilfreich: Konflikte treten vor allem dann auf, wenn es wenig zu verteilen gibt. Tatsächlich zeigen systematische Erhebungen rund um die Erde, dass das Leben in Familien umso konflikthafter ist, je weniger Ressourcen den Familien zur Verfügung stehen (hierbei spielen psychische und soziale Ressourcen eine noch wichtigere Rolle als materiellen Ressourcen).
Das bringt aus evolutionärer Sicht einen wichtigen Aspekt ins Spiel: das Famileinleben kann sich eben nicht nur darum drehen, den Kindern möglichst viel zu geben. Vielmehr müssen Eltern auch ihre eigenen Beziehungen und ihren eigenen Entwicklungsweg − den »Kuchen« sozusagen − weiter im Blick haben. Wer nur die Entwicklungsschritte des Kindes feiert und sein eigenes Leben vernachlässigt, dem wird irgendwann die Kraft für das Leben mit einem Kind ausgehen.