FAQ

Kann es sein, dass manche Verhaltensweisen von Kindern gar nicht mehr in die heutige Welt passen?

Durchaus! Nehmen wir ein Beispiel: Dass kleine Kinder es schwer finden, alleine einzuschlafen, macht heute eigentlich keinen Sinn mehr: Die Kinder sind gegen eine plötzliche Kaltfront, gegen Raubtiere und Schlangen hinter Dreifachglasfenstern ja wirklich gut geschützt! Über 99 Prozent der menschlichen Geschichte war das anders. Da lag der einzige sichere Schlafplatz für leckere kleine Geschöpfe dicht neben dem warmen Körper eines starken Erwachsenen. Abseits der Großen zu schlafen war gefährlich. Die Kleinen haben deshalb dagegen eine entsprechende Angst entwickelt − in diesem Fall die Angst vor dem Alleine-Schlafen. Und die wirkt − leider − auch heute noch. Babys »wissen« nun einmal nicht, dass dort draussen kein Säbelzahntiger mehr ums Lager streift!
Oder nehmen wir das Beispiel des Gemüses. Viele Eltern meinen, dass sich die kleinen Kinder für Gemüse begeistern sollten − etwa weil es »gesund« ist. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Im Säuglingsalter wird Gemüse noch recht zuverlässig geschluckt − im Kleinkindalter aber bleibt der Mund hartnäckig zu, wenn Brokkoli und Co auf dem Löffel sind! Evolutionär betrachtet hat das einen guten Grund: Solange das Kind als Säugling im unmittelbaren Nahbereich der Mutter lebte, war sein Nahrungsumfeld absolut sicher − die Mutter wachte schließlich darüber, was in das kleine Mündchen kam. Entsprechend »offen« ist im Säuglingsalter der Geschmackshorizont.

Das ändert sich radikal, sobald das Kind dem Schoß der Mutter entwachsen und von der Brust entwöhnt ist. Jetzt war die natürliche Umwelt des Kindes alles andere als ungefährlich. Sollte das Kind, das unter den ursprünglichen Lebensbedingungen der Menschheit jetzt auf eigenen Füßen Savannen und Wälder durchstreifte, wirklich von all den Beeren, Blättchen und Früchtchen begeistert sein, die ihm da begegnen? Eindeutig: Nein! Ein Kind, das nicht einen heiden Respekt vor den ihm unbekannten Nahrungsmitteln gehabt hätte, wäre nicht lange ein lebendes Kind gewesen − der Unterschied zwischen einer Heidelbeere und einer Tollkirsche ist nun einmal nicht so groß! Besser war es, sehr vorsichtig zu sein und insbesondere bittere Dinge zu meiden (Pflanzengifte sind meist bitter). Kein Wunder, dass der vormals weit offene Geschmackshorizont auf einmal sehr viel enger wird und die Kinder eigentlich nur noch von geschmacklosen, süßen Lebensmitteln begeistert sind.
Und so machen es die Kinder ab dem Kleinkindalter auch heute noch: alles was sie nicht kennen, und was auch nur ein bisschen bitter schmeckt, wird zunächst einmal abgelehnt! Natürlich ist das heute, wo die Regale der Supermärkte absolut tollkirschenfrei sind, kein vernünftiges Verhalten mehr − aber Kinder haben nun einmal auch noch heute das alte »Sicherheitsprogramm« unserer Vorfahren in sich! (Wie Kinder dann doch noch das Essen »lernen« wird in einer anderen Frage behandelt)