FAQ

Wir wollen unseren Kindern menschliche Werte beibringen − Mitgefühl und Fairness beispielsweise. Ist da die Evolution nicht der falsche Lehrmeister?

Das ist eine wichtige Frage. Schließlich wird der Evolution oft genug vorgeworfen, sie leiste dem »Egoismus« Vorschub. Auch wird immer wieder behauptet, die Evolution bevorzuge den Starken, Mächtigen, Skrupellosen. Bleiben da nicht unsere menschlichen Werte auf der Strecke?
Betrachten wir zuerst die Frage, ob die Evolution wirklich für das »Überleben des Stärkeren« sorgt.
Hier liegt ein gravierendes Missverständnis vor − wenn Darwin von den »Fittesten« sprach, dann meinte er nämlich etwas anderes. Für ihn sind die »fittesten« Individuen diejenigen mit dem besten »fit« − also der besten Passung zu den vorgefundenen Umweltbedingungen (engl. to fit = passen). »Fitte« Individuen können die Ressourcen ihrer Umwelt am besten nutzen und können sich dadurch am besten vermehren. Natürlich kann diese gute Passung zur Umwelt in mehr Stärke bestehen (mehr Muskeln, mehr Kraft, mehr Schnelligkeit), aber eben auch in einer gleitfähigeren Schleimspur oder einem schlechten Geruch, der ein Tier für seine Fressfeinde abstoßend macht. Es gibt im Darwinschen Sinne also keine »guten« und keine »schlechten« Merkmale, sondern nur solche, die besser oder schlechter an eine bestimmte Umwelt angepasst sind.

Und zu diesen Qualitäten, die einem Individuum zu einer besseren »Fitness« verhelfen, gehören sogar Merkmale, die landläufig gar nicht mit der Evolution in Verbindung gebracht werden − etwa gemeinschaftliches Handeln.
Und damit wären wir bei dem Vorwurf, die Evolution könne doch nur »egoistisches« Verhalten hervorbringen. Tatsächlich zeigt sich immer deutlicher, dass auch Kooperation eine von der Evolution vorgesehene Strategie ist, um die begrenzten Ressourcen der Umwelt möglichst gut zu nutzen. Gerade die Mitglieder der in Gruppen lebenden Arten verschaffen sich eindeutig Vorteile, indem sie Ressourcen teilen und zusammenarbeiten − etwa beim gemeinschaftlichen Schutz des Lagers, bei der gemeinsamen Jagd, ja, sogar durch das gemeinschaftliche Aufziehen des Nachwuchses. Kooperation und gegenseitige Unterstützung sind also evolutionär im Menschen verankert, sie sind seiner Natur keineswegs fremd (in »Kinder verstehen« ist diesem Thema ein eigenes Kapitel).