Beratungsfrage13. Februar 2024

Wie gefährlich ist die Bauchlage für Säuglinge?

Ist es ok, wenn ich meinen 2 Monate alten Sohn einmal am Tag (tagsüber, unter meiner Aufsicht) auf dem Bauch schlafen lasse? Er hat stark mit Bauchweh zu kämpfen und schläft so besser.

Mit der Frage machst Du ein echtes Fass auf! Tatsächlich nämlich beißt sich die Forschung an der Bauchlage die Zähne aus, denn

  • einerseits weiß sie das: Viele Säuglinge – und gerade die jungen Säuglinge – regulieren sich in der Bauchlage besser und schlafen entsprechend auch besser…
  • andererseits aber ist die Bauchlage ein eindeutiger Risikofaktor für den Plötzlichen Kindstod.

Leider kommt die Forschung zu diesem Dilemma erst langsam in Gang (ich selbst bin mit einer Arbeitsgruppe daran beteiligt). Unklar ist zum Beispiel, worin das Risiko der Bauchlage genau besteht. Ist sie „aus sich heraus“ riskant? Oder entfaltet sich das Risiko nur unter bestimmten ungünstigen Bedingungen? Oder nur bei besonders vulnerablen Babys? Oder wenn beides zusammenkommt?

Für diese Vermutungen gibt es ein paar Hinweise aus der Forschung:

Das mit der Bauchlage verbundene SIDS-Risiko ist nämlich deutlich höher…

  • für Babys von Müttern, die in der Schwangerschaft geraucht haben
  • die untergewichtig oder zu früh geboren wurden
  • wenn ein Säugling kränkelt oder eine Infekt hat
  • wenn ein Baby auf einer zu weichen oder unebenen Unterlage (etwa Sofa) schläft.
  • wenn ein Säugling zum ersten Mal in Bauchlage zum Schlafen gelegt wird – also offenbar keine Erfahrung damit hat.

Dagegen ist das mit der Bauchlage verbundene SIDS-Risiko für gestillte Kinder geringer als für mit der Flasche ernährte Babys.

Eine wichtige Frage aber ist komplett offen:

Haben Säuglinge auch unter 100% günstigen Bedingungen in Bauchlage noch ein Rest-Risiko? Wenn sie also z.B. gestillt und gesund sind, eine nicht-rauchende Mama haben, auf einer festen Unterlage schlafen etc.?

Das ist leider bisher nicht genau untersucht. Es dürfte sehr klein sein, aber auch ich kann da nur spekulieren. Und deshalb gilt zurecht und weiterhin die generelle Empfehlung an die Eltern, Säuglinge zum Schlafen immer in Rückenlage zu lagern (zumindest bis diese sich selber gut auf den Rücken drehen können). Und das ist auch meine Empfehlung.

Bei der “Angst-Frage” SIDS aber *bitte* immer auch das mitdenken:

  • Das sind extrem seltene Ereignisse!
  • Wenn keine besonderen Risikofaktoren vorliegen, erst recht!!
  • Wir dürfen nicht in die Risiko-Falle tappen, denn dann hättest Du täglich unglaublichen Stress. SIDS ist ja nur eine von vielen möglichen Gefahren in der Säuglingszeit, und wenn ein Baby stirbt, dann in 95% der Fälle eben *nicht* an SIDS. Also: Risiken vermeiden, so gut es geht, aber die Kirche im Dorf lassen.

Jetzt aber zu deiner konkreten Frage!

Es macht auf jeden Fall Sinn, die Säuglinge auch mit der Bauchlage vertraut zu machen. Allerdings eben unter sicheren Bedingungen. Zum einen liegen und schlafen viele Säuglinge ja sehr gerne Bauch-an-Körper, etwa im Tragetuch oder auf der Brust ihrer vertrauten Erwachsenen. Ein solcher ko-regulierter Schlaf des Säuglings ist bei allen Primaten zu beobachten und geht in Ordnung, wenn die erwachsene Person tatsächlich mit-regulieren kann, also nicht beeinträchtigt ist (Drogen, Alkohol etc.) und wach ist.

Du wirst jetzt bestimmt das fragen: Und was ist, wenn ich dann einschlafe? Oder: mein Baby schläft nur auf mir, die ganze Nacht, und klar schlafe ich dann auch…

Die Antwort darauf ist: Niemand weiß, ob das sicher ist, ich auch nicht. Deshalb raten auch alle Kinderärzte dagegen. Und ich ergänze: Umso wichtiger ist es dann, dass dann andere Risiken minimiert sind (Schlafen auf dem Sofa, Rauchen, Trinken, etc.).

Ist das eine befriedigende Antwort? Nein. Stand heute gibt es aber aus wissenschaftlicher Sicht keine andere.

Und was ist bei deinem Fall, wenn Du dein Baby also bei seinem Schläfchen auf dem Bauch im Auge hast?

Das ist aus meiner Sicht kein Problem, wenn es auf einer festen, ebenen Unterlage liegt (Du wirst dabei beobachten können, wie gut schon die Kleinen ihr Köpfchen im Schlaf drehen und heben können!).

Und immer gilt: dein Baby entfaltet seine Sinne und seine motorischen Fähigkeiten am Besten, wenn es viel bei Dir sein darf, in der Trage, den Armen, am Körper. Das trainiert alle Körperfunktionen, auch die Schutzfunktionen.

Teils wird auch empfohlen, das Baby bewusst auf den Bauch legen, damit es sozusagen diese Lage „trainiert“ (sog. „tummy time“, paar Mal am Tag, für ein paar Minuten). Der Tipp stammt aus Zeiten, in denen die Babys die meiste Zeit bloß auf dem Rücken lagen, und ja, das kann man dann zum Ausgleich von mir aus gerne machen.

Alles Gute!

 

Dieser Beitrag beruht auf dem Buch des Kinderarztes und Wissenschaftlers Dr. Herbert Renz-Polster: „Schlaf gut, Baby! Der sanfte Weg zu ruhigen Nächten" (zusammen mit Nora Imlau). Es stellt dar, wie Eltern ihre kleinen Kinder (von 0 bis 6 Jahren) bei dem Dauerthema Schlaf unterstützen und begleiten können, ohne dass daraus Kampf und Krampf entstehen.
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4 Kommentare

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  • Elisabeth Heimlicher

    ich habe vier kinder, zwischen 1978 und 1986, alle voll und lang gestillt, und meistens in der bauchlage schlafend. das wurde damals empfohlen, ich fand es gut. natürlich schliefen sie anfangs vor allem auf oder neben mir oder meinem mann, also immer unter körperkontakt und kontrolle. allein schlafend abgelegt, erwachten sie meistens bald wieder….

  • Welli

    Vielen Dank.
    Was mich immer ärgert, ist, dass die Korrelation von plötzlichem Kindstod und Impfung nicht genannt wird.
    Im Fall eines plötzlichen Kindstodes – die Todesursache wird seit Jahrzehnten erforscht – konnten einige Todesfälle auch rückwirkend mit den genannten Risikofaktoren (unvollständig) in Bezug gesetzt werden. Und eben auch zu einer vorhergehenden Säuglingsimpfung in Bezug gesetzt werden:
    Schließlich trat der plötzliche Kindstod auffällig häufig ein bis ein paar Tage nach einer Säuglingsimpfung auf.

    • Jale

      Wenn es da eine Korrelation gäbe, glauben Sie, HRP hätte die nicht genannt…? Und warum sollte er das dann nicht tun?
      Ich persönlich denke, er kennt die Daten diesbezüglich extremst genau. Warum sollte er uns etwas “verheimlichen”?
      Er ist, finde ich, ein extrem präziser Beobachter und hat letztens hier beispielsweise auch die MenB-Impfung gut abgewogen.
      Woher haben Sie Ihre Quellen? Sind diese Quellen so vertrauenswürdig wie HRP? Sind Sie diesbezüglich verunsichert gewesen?
      Haben Sie generell Angst vor Impfung (Nadel, fremdbeigebracht, mutmaßlich “künstlich”?) ?
      Ein guter Freund von uns ist Arzt und hat aber viel Kontakt zu alternativen Szenen, Schamanismus etc. Er wird immer wieder gefragt, wie viele Impfschäden er wohl vertuscht habe, ob er gezwungen werde geimpft zu sein, etc – und alle sind immer ganz schockiert, wenn er da einfach nur nach bestem Wissen mit “NEIN, da gibt es nichts” antworten kann. Später kommen sie dann zu ihm und fragen ihn “Du, wenn Du doch Arzt bist, ich habe dies und jenes…” 😀

      Long Story short: Impfung ist KEIN, absolut KEIN unabhängiger Risikofaktor für plötzlichen Kindstod. Auch wenn das arme menschliche Gehirn so gerne Zusammenhänge sehen möchte, so wie mit den Störchen im Frühjahr oder so…

  • Wolf

    Ich hatte gar keine andere Chance-ich habe sie auf den Rücken gelegt oder sie lag seitlich neben mir zum stillen-dockte ab-und drehte sich auf den Bauch-po in die Luft. Ab ca 1 Woche nach Geburt. Immer. 😅 aber wach gemeckert , wenn sie versehentlich auf dem Bauch lag. erst später ging das wieder weg. Jetzt schläft sie fast nur noch auf dem Rücken…